motiv, fotograf, betrachter

neulich hatte ich einen kurzen disput mit einem portraitfotografen auf threads, bei dem ich über diesen satz gestolpert bin: ” ich fotografiere für mich und mein gegenüber”. meine nachfrage, warum die fotos dann trotzdem auf insta veröffentlicht werden, blieb gewissermaßen unbeantwortet. ich sage es mal so: ich liebe dreiecke.

dreieck motiv-fotograf-betrachter

dreiecke sind die kleinsten flächen, die mit linien erzeugt werden können. und diese linien, die die einzelnen eckpunkte miteinander verbinden, zeigen die beziehungen zueinander auf. dabei kann das dreieck beliebig erweitert werden. ein kleines beispiel, das wohl jeder fotograf verinnerlicht hat, ist das belichtungsdreieck: zeit, blende, iso. mögliche erweiterungen des dreiecks könnten blitz oder filter sein. aber um die grundlegenden zusammenhänge zu verstehen, kann ein dreiecksmodell sehr hilfreich sein.

motiv – fotograf

nimmt der fotograf eine objektive haltung gegenüber dem motiv ein, indem er versucht, es so neutral wie möglich darzustellen, ohne persönliche interpretationen einzubringen?

geht der fotograf subjektiv vor, indem er durch seine eigene perspektive, emotionen und interpretationen das motiv beeinflusst?

kann der fotograf das motiv emphatisch verstehen und respektieren?

möchte der fotograf das motiv wahrnehmen oder kontrollieren?

prägt der fotograf mit seinem eigenen stil und seiner individuellen interpretation das motiv? wie beeinflussen diese interpretation oder auch ästhetische präferenzen, persönliche erfahrungen und kulturelle hintergründe des fotografen das motiv?

fotograf – betrachter

wurde seitens des fotografen der betrachter während des fotografierens mitgedacht?

finden sich betrachter, die gewillt sind, sich die bilder anzuschauen?

möchte der fotograf den betrachter auf seine reise mitnehmen oder manipulieren?

fotografieren fotografen auch für andere fotografen? sind sie bereit, sich deren kritik zu stellen?

was kann ein betrachter, der selbst fotograf ist, beim betrachten der bilder anderer fotografen lernen?

kann ein fotograf überhaupt unbeschwert fotografieren, ohne auch gleichzeitig (wenn auch manchmal unbewusst) die mögliche veröffentlichung des bildes im bekanntenkreis, auf instagram, in einer galerie, etc mitzudenken?

betrachter – motiv

weckt das motiv das interesse und die neugier des betrachters?

kann sich der betrachter in das motiv hineinversetzen und die gefühle und erfahrungen des fotgrafen nachvollziehen?

erkennt der betrachter eines bildes die symbolischen oder metaphorischen bedeutungen?

welche assoziationen und interpretationen werden beim betrachter hervorgerufen?

ist der betrachter in der lage, das bild kritisch zu reflektieren?

fazit und drei kreise

um es vorweg zu nehmen: ich liebe kreise.

kreise motiv-fotograf-betrachter

sicherlich ist es sinnvoll, sich immer mal wieder auf einzelne überschneidungen zu konzentrieren. das kann in der eigenen fotografischen weiterentwicklung sehr hilfreich sein. doch wie so oft schwebt die unumgängliche frage im raum: was ist ein gutes foto?